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Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger vor einer goldenen Wand

Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger im Interview: "Museum wirkt."

Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger ist seit 2008 LWL-Kulturdezernentin.

Frau Dr. Rüschoff-Parzinger, haben Sie noch Zeit ins Museum zu gehen?

Ja, habe ich – im Urlaub und an den Wochenenden sogar ausgiebig. Das ist ganz gut, um mal durchzulüften. Meine Kinder behaupteten zwar, sie hätten durch die dauernden Museumsbesuche früher eine ausgeprägte ‚Museumsallergie‘ davongetragen. Inzwischen sind sie erwachsen und schicken mir Fotos von ihren eigenen Besuchen in Museen. Also: Museum wirkt.

Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger sitzt an einem Glastisch und wird mit einem Tablet gefilmt

Warum sollte man überhaupt noch ins Museum gehen? Apps, Digitorials über Kunst und Games zu historischen Themen kann ich auch zuhause haben.

Museen benutzen diese internetbasierten Anwendungen auch, weil junge Menschen nur so überhaupt erfahren, dass es dieses oder jenes zu erleben gibt. Das ErIebnis im Museum vergleiche ich mit dem Kino. Das Kino ist nicht weg, weil es Fernsehen und Streaming zuhause gibt. Im Museum erleben Sie ein Exponat. Es ist das Original mit der eigenen Aura des Originals, nicht das Abbild davon.

Ich finde es gut, dass Museen heute spielerischer mit der Wissensvermittlung umgehen und Ausstellungen regelrecht inszenieren. Ich kenne noch Museumsbesuche als Schülerin, da standen wir alle um eine Vitrine herum, fertig. Heute sollen Kinder und Jugendliche Teil der Vermittlung sein und sich fragen: Was hat das Exponat aus der Vergangenheit mit meiner Gegenwart zu tun? Wenn das mit einem Spiel begleitet wird – völlig in Ordnung, denn Museen dürfen Spaß machen. Dann haben sie auch eine Zukunft.

Besucher:innen im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster

Warum sollte uns Kultur etwas wert sein?

Kultur ist aus meiner Sicht nicht nur ein weicher, sondern ein harter Standortfaktor. Menschen entscheiden sich für einen Wohnort, weil das Kulturangebot dort gut ist. Als während der Corona-Pandemie die Kultureinrichtungen geschlossen waren, haben wir gemerkt, wie sie uns fehlen. Kulturorte sind angstfreie Räume zum Austausch und zum Auftanken. In Museen werden gesellschaftliche Fragen verhandelt, sie begegnen mit ihren Angeboten der Verrohung der Gesellschaft und stellen das Gegengift zu ‚Fake news‘ bereit.

Das setzt für mich einen weiten Kulturbegriff voraus, wie ihn der LWL auch bei seinen Förderungen versteht – vom Rockkonzert über die Spiele-App bis zu dem, was früher Hochkultur hieß.

Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger vor einer goldenen Wand

Was sind Ihre großen Themen in den nächsten sieben Jahren?

Es gibt übergreifende Themen wie die Auseinandersetzung mit unser Kolonial-Vergangenheit. Dazu macht der LWL 2024 ein ganzes Themenjahr in seinen Museen und Einrichtungen. Der Klimawandel verlangt Handeln – wie machen wir zum Beispiel Museen so nachhaltig, dass eine Ausstellung möglichst klimaneutral ist? Also wenig Flüge von Exponaten, kein Abfall bei den Aufbauten im Museum, Klimatisierung mit geringstem Energieeinsatz.

Außerdem haben wir bis 2030 vier Projekte, die mich stark beschäftigen: In unserem Freilichtmuseum in Detmold bauen wir einen neuen Typ von Ausstellungshalle, die fast komplett klimagerecht wird.

Im Ruhrgebiet findet 2027 die Internationale Gartenbauausstellung statt, der LWL ist mit vier größeren Projekten beteiligt. Und im selben Jahr veranstaltet der LWL zusammen mit der Stadt in Münster die Ausstellung ‚Skulptur Projekte‘ im ganzen Stadtgebiet. Diese Ausstellung sichert uns alle zehn Jahre internationale Aufmerksamkeit, wir sind dann die kleine, manche sagen die entspannte Schwester der ‚documenta‘.

Schließlich soll in Schloß Holte Stukenbrock mit Beteiligung des LWL eine neue nationale Gedenkstätte an das ehemalige Kriegsgefangenenlager Stalag 326 erinnern. Zehntausende Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, zum Beispiel aus Russland und der Ukraine, sind dort elendig während des Zweiten Weltkrieges zugrunde gegangen. Was dieses ‚System Stalag‘ bedeutete und wie es bis in jede Stadt und jedes Dorf in Westfalen und im Rheinland wirkte, das müssen wir darstellen. Kompliziert aber wichtig. Auch das ist Kultur.

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