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Schwarzweißfotografie vom Landeshaus der Provinz Westfalen am Freiherr vom Stein-Platz um 1910 (© LWL-Medienzentrum für Westfalen)

Der LWL

Eine wechselvolle Geschichte

Der LWL ist ein Verband mit langer Tradition, aber auch dunklen Kapiteln in seiner Geschichte. Die Entwicklung des LWL war und ist stets eng verwoben mit der Entwicklung der Region Westfalen-Lippe.

1886

Gründung des Provinzialverbands Westfalen

Der Provinzialverband Westfalen (1886-1953) wurde mit der Provinzialordnung von 1886 als Kommunalverband mit umfangreichen regionalen Selbstverwaltungskompetenzen gegründet und ist der Vorläufer des heutigen LWL.

Repräsentation Westfalens

Zum Provinzialverband Westfalen gehörten in dieser Zeit folgende Bereiche und Aufgaben: Landarmenwesen, Fürsorgeanstalten für Blinde, Taubstumme und Geisteskranke, Bau und Unterhaltung der Staatsstraßen, Förderung von Kunst und Wissenschaft sowie des Bibliothekswesens und Unterhaltung von Denkmälern.

Der Provinzialverband mit seinen Organen Provinzialversammlung, Provinzialausschüssen und Landeshauptmann verstand sich als Repräsentation Westfalens.

1918 bis 1933

Der Provinzialverband zur Zeit der Weimarer Republik

In der Weimarer Republik erlebte der Provinzialverband aufgrund seiner verfassungsmäßigen Stellung und kontinuierlichen Erweiterung seines Aufgabenspektrums seine Blütezeit. Entsprechend der preußischen Verfassung von 1920 wurden die Abgeordneten des Provinziallandtages unmittelbar von der Bevölkerung gewählt. Ober- und Regierungspräsidenten konnten nur im Einvernehmen mit dem Provinzialverband ernannt werden. Die Provinzen bildeten den preußischen Staatsrat und entsandten Vertreter in den Deutschen Reichsrat, so dass sie an der Gesetzgebung Preußens sowie des Deutschen Reiches mitwirkten.

Neue Aufgaben

Durch die Folgen des Ersten Weltkriegs entstanden neue Aufgaben: Kriegsverletzte und -hinterbliebene mussten über die Wohlfahrtspflege, die sich nun endgültig von der alten Armenpflege absetzte, versorgt werden. Das Landesjugendamt, das 1922 errichtet wurde, entwickelte sich in den folgenden Jahren zur zentralen Anlaufstelle für die Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege. Das neue Fürsorgerecht verlangte mit seinen Erwartungen an Heilung und Besserung, Rehabilitation und Prophylaxe ein neues Konzept in der sogenannten Geisteskrankenfürsorge und leitete mit neuen Ansätzen zur offenen Fürsorge und Arbeitstherapie die Reform der Provinzialheil- und Pflegeanstalten ein. Dann erstickten seit 1929 die Folgen der Weltwirtschaftskrise die Keime des gerade begonnen Reformprozesses.

1933 bis 1945

Die Zeit des Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus beseitigten die NS-Machthaber den Parlamentarismus auf Provinzebene und ebneten den Weg für eine monokratisch strukturierte Verwaltung mit dem Oberpräsidenten an der Spitze. Das Gesetz bestimmte den Oberpräsidenten zum Leiter des Provinzialverbandes, garantierte jedoch gleichzeitig die formale organisatorische Selbstständigkeit des Verbandes, da der Oberpräsident den Landeshauptmann als seinen ständigen Stellvertreter mit der „selbstständigen Erledigung“ der laufenden Geschäfte beauftragte.

Zwangssterilisation und "Euthanasie"-Morde

Insbesondere die Jugendhilfe, Fürsorgeerziehung und psychiatrische Versorgung wurden nach "rassenhygienischen Grundsätzen" ausgerichtet. Leistungen billigte man nur den „erbgesunden, wertvollen Volksgenossen“ zu, sogenannte „Minderwertige“ wurden Opfer der selektiven Erb- und Rassenpflege. Bis 1945 wurden über 3.500 Patientinnen und Patienten der Provinzialheilanstalten zwangssterilisiert, fast 6.000 Patientinnen und Patienten wurden Opfer der NS-„Euthanasie“-Aktionen und umgebracht.

Soldaten beim Maorgenappell vor der Provinzialheilanstalt in Gütersloh.

In der Zeit der NS-Diktatur war auch die Gütersloher Provinzialheilanstalt an der Zwangssterilisierung sowie Deportierung von Patientinnen und Patienten beteiligt.

1946 bis 1952

Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen und "Vorläufiger Provinzialauschuss"

Nach dem Ende des Dritten Reiches löste die britische Militärregierung die Provinzen des Landes Preußen auf und bildete 1946 das Land Nordrhein-Westfalen. Die politischen Vertreter Westfalens unterstützten dieses Vorhaben, um auf diese Weise die französischen Pläne zur Ausgliederung des Ruhrgebietes aus Westfalen und der Rheinprovinz zu verhindern.

Provinz Westfalen

Die Provinz Westfalen ging territorial unverändert im Land Nordrhein-Westfalen auf – im Gegensatz zur Rheinprovinz, die um die Regierungsbezirke Koblenz und Trier verkleinert wurde. Das bis dahin eigenständige Land Lippe wurde 1947 an Nordrhein-Westfalen angegliedert. Der Provinzialverband Westfalen und die rheinische Provinzialverwaltung setzten ihre Tätigkeit unter Beteiligung eines „vorläufigen Provinzialausschusses“ fort.

Verdrängung statt Aufarbeitung

Eine kritische Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus blieb auch der Provinzialverband zunächst schuldig. Es gab zwar unmittelbar nach Kriegsende einige bemerkenswerte Aufarbeitungsimpulse und strafrechtliche Verfahren, und einige höhere Beamte des Verbands wurden aus dem Amt entfernt.  Das Gesamtbild wurde jedoch durch personelle Kontinuitäten und die Tendenz der Tabuisierung und Verdrängung geprägt, wie es in vielen Institutionen und weiten Teilen der Gesellschaft in der Nachkriegszeit und der jungen Bundesrepublik alltäglich war.

Das galt trotz des Wissens um die Verbrechen, die auch in den Einrichtungen und mit Hilfe des Personals des Provinzialverbandes durchgeführt wurden. Die notwendige Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Erblast begann erst Mitte der 1970er Jahre, als der LWL als erster noch heute grundlegende Forschungen zum Provinzialverband Westfalen in der NS-Zeit anstieß.

Fürsorge und Wiederaufbau

In den Nachkriegsjahren beherrschte die Not der "Trümmerjahre" das Handeln des Provinzialverbandes: Die Fürsorge galt verstärkt den vom Krieg betroffenen Menschen wie Flüchtlingen, Vertriebenen und heimkehrenden Soldaten. In seiner Funktion als Landesfürsorgeverband baute der Provinzialverband die enge Zusammenarbeit mit den freien Wohlfahrtsverbänden, die auch während der Nationalsozialismus sehr gut funktionierte, noch aus. Die zerstörten Straßen und Verkehrswege machten große Anstrengungen im Straßenbau erforderlich. Als zusätzliche Pflichtaufgabe übertrug die Militärregierung der Provinzialverwaltung die Verwaltung der Autobahnen.

Seit 1953

Verabschiedung der Landschaftsverbandsordnung zur regionalen Selbstverwaltung

Mit der Gründung Nordrhein-Westfalens 1946 stellte sich die Frage nach dem Staats- und Verwaltungsaufbau des neuen Landes sowie der Integration der Landesteile.

Mehrere Männer sitzen mit Dokumenten an Tischen

Beratender Ausschuss um 1950, parlamentarisches Gremium von 1946-1953

Schon vorher hatten vor allem in Westfalen erste Bemühungen um die Wiederherstellung der regionalen Selbstverwaltung eingesetzt. Forderungen nach einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage wurden von kommunalen, karitativen und Wirtschaftsverbänden unterstützt. Diese Forderungen führten schließlich nach langwierigen Auseinandersetzungen im Kabinett und Landtag zur Verabschiedung der „Landschaftsverbandsordnung für das Land Nordrhein-Westfalen“. Sie wurde am 6. Mai verabschiedet, am 12. Mai verkündet und trat am 1. Oktober 1953 in Kraft.

Erster Direktor

Als erster Direktor wurde 1953 Dr. Bernhard Salzmann bestimmt, der sich für den Erhalt bzw. die Neugründung des Provinzialverbands bei der 1946 eingesetzten Landesregierung besonders stark gemacht hatte. Salzmann war 1886 in Siegen geboren, von 1922 bis 1945 Finanzdezernent der Landesversicherungsanstalt Westfalen in Münster und folgte ab 1945 dem LVA-Vorstandsvorsitzenden Dr. Hermann Althoff in den Vorstand und Aufsichtsrat zahlreicher Einrichtungen des Sozialen Wohnungsbaus. Gleichzeitig wurde er 1945 von der britischen Militäradministration zum Landeshauptmann des Provinzialverbandes Westfalen bestimmt und nach der Gründung des LWL bis 1954 erster Direktor des Landschaftsverbandes. Er verstarb 1959.

"Neuschöpfung" mit alten Aufgaben

Auch wenn der Landschaftsverband Westfalen-Lippe verfassungsmäßig eine „Neuschöpfung“ war, spiegelte sich in dem gesetzlich festgelegten Aufgabenkatalog das Aufgabenspektrum der früheren preußischen Provinzialverbände wider. Er umfasste die Bereiche Soziales und Gesundheit (Psychiatrie, Fürsorge für behinderte Menschen, Forensik) sowie Jugend, das Straßenwesen und die Kommunalwirtschaft und die Kulturpflege. Im Laufe der vergangenen sieben Jahrzehnte hat der LWL in den verschiedenen Aufgabenfeldern viele Veränderungen angestoßen und umgesetzt. Von zahlreichen Projekten können hier nur wenige und Entwicklungen nur exemplarisch genannt werden.

In den Bereichen Soziales und Gesundheit zum Beispiel sind viele Hilfsangebote ambulantisiert und dezentralisiert worden. Der LWL ist dabei näher an die Menschen gerückt, ist stärker in der Fläche vertreten. Der LWL hat neue Förderschulen gegründet und unterstützt das Leitbild der Inklusion als gesellschaftliche Zielvorstellung.

Auch im Bereich Kultur hat der LWL sich in die Fläche ausgebreitet. Mit der Gründung des LWL-Industriemuseums mit acht Außenstellen, dem LWL-Museum für Archäologie in Herne, dem LWL-Museum für Kunst und Kultur und dem für Naturkunde in Münster oder dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal und dem LWL-Römermuseum in Haltern wurden Leuchttürme geschaffen, die den ursprünglichen Auftrag die „landschaftliche Kultur“ zu pflegen und zu fördern nachhaltig erweiterten und neue Standards in der überregionalen Museumslandschaft setzen.

Für manche Aufgaben wurden dem Landschaftsverband allerdings auch die Zuständigkeit im Rahmen so genannter Verwaltungsstrukturreformen entzogen. Mitte der 1970er Jahre wurde die Landesplanung verstaatlicht. Und zu Beginn des Jahres 2001 griff der Gesetzgeber noch einmal besonders stark in den Aufgabenzuschnitt des LWL ein. Als Ergebnis einer langen politischen Auseinandersetzung um die Zerschlagung der Landschaftsverbände wurde in einem ‚Kompromiss‘ die Verantwortung für den Straßenbau vom LWL auf das Land Nordrhein-Westfalen übertragen.

In seiner langen Geschichte verstand der LWL sich als zeitgemäßer Dienstleister. So auch heute. Als Teil einer heterogenen und vielfältigen kommunalen Familie handelt er schnell, flexibel und bürgerorientiert und versucht, die vielfältigen Interessen und Lebensverhältnisse zu moderieren und auszugleichen. Die Interessen Westfalen-Lippes vertritt er überall dort, wo es sinnvoll und notwendig erscheint.

Heute: Der LWL als zeitgemäßer Dienstleister

"Wir unternehmen Gutes."

  • 62.000 behinderte Menschen erhalten vom LWL Leistungen der Eingliederungshilfe zum Wohnen.
  • 38.000 Menschen erhalten Leistungen im Bereich Arbeit in Werkstätten.
  • Mehr als 13.000 schwerbehinderte Menschen sowie deren Arbeitgeber:innen erhielten Beratung und Begleitung durch Integrationsfachdienste.
  • In den 35 LWL-Förderschulen werden 6.400 Kinder und Jugendliche ihren Fähigkeiten entsprechend schulisch gefördert.
  • Aktuell betreut der LWL 17.500 Kinder in der Frühförderung und weitere 13.700 Kinder unterstützt er in der Kindertagesbetreuung.
  • In der Kultur ist der LWL jährlich in 18 Museen und zwei Besucherzentren für 1,9 Mio. Besucher und Besucherinnen da.
  • Mit 11.600 Beschäftigten sorgt der LWL in 130 Einrichtungen für rund 240.000 psychiatrische Behandlungen im Jahr.
  • Im LWL-Maßregelvollzug erfüllt der LWL den Auftrag zur „Besserung und Sicherung“ in sechs Kliniken mit 850 Plätzen. Drei weitere Einrichtungen in Haltern, Hörstel und Lünen sind in Planung.

Institut für westfälische Regionalgeschichte

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Collage aus verschiedenen Flyern des Instituts für westfälische Regionalgeschichte. Foto: Westfälische Regionalgeschichte

Bildarchiv für Westfalen

Die umfassende Bildersammlung aus Vergangenheit und Gegenwart zeigt die Vielalt Westfalens: Städte und Landschaft, Industrie und Landwirtschaft, oder Kunst und Architektur.

Zum Bildarchiv für Westfalen (noch nicht barrierefrei)

Ein Leuchttisch, auf dem Fotonegative liegen. Bildnachweis: Tuula Kainulainen © LWL-Medienzentrum für Westfalen